Totholz
Ein Wald besteht nicht nur aus lebenden Pflanzen, sondern auch aus vielen toten Pflanzen. Manchmal sieht man in Wäldern umgestürzte Baumstämme, die zwischen den Baumstämmen der intakten Bäume auf dem Waldboden liegen. Und als ordnungsbewusster Deutscher fragt sich der eine oder andere manchmal schon: Warum wird dieser Baumstamm nicht von der Forstaufsicht des Waldes abgeholt, beseitigt und entsorgt?
Darauf gibt es eine ganz einfache Antwort: Das soll so sein und der Baumstamm bleibt liegen. Denn es handelt sich um so genanntes Totholz. Jeder frei sich entwickelnde Wald, der nicht von der Forstwirtschaft bewirtschaftet und gepflegt wird, hat schon in der Zeit vor den Menschen immer Totholz enthalten. Dieses besteht aus kranken oder toten Bäumen. Aus Bäumen, die vom Blitz getroffen wurden. Oder die bei einem Unwetter wie einem starken Sturm entwurzelt wurden.
Beim Totholz wird zwischen stehendem und liegendem Totholz unterschieden. Stehendes Totholz ist seltener, bietet aber meist eine größere Vielfalt an Standortfaktoren und ist daher ökologisch wertvoller als liegendes.
Das Totholz gehört zum Ökosystem des Waldes dazu. Jeder intakte und lebende Wald enthält Totholz. Sie werden jetzt fragen, wozu denn dieses Totholz dient? Auch das ist einfach erklärt:
- Nahrung
- Schutz
- Lebensraum
- Fortpflanzung
Zunächst einmal sind viele niedrige Pflanzenarten auf das Totholz angewiesen. Dazu zählen viele Pilzarten, Flechte und Moose. Des weiteren dient die Zellulose des Holzes als Nahrungsmittel für viele Insekten. Oder für deren Nachkommenschaft. Denn Totholz ist auch eine Grundlage für den Nachwuchs vieler Insekten, die ihre Eier in das tote Holz legen. Zu einer Raupe herangewachsen, frisst sich die Raupe durch das tote Holz und hat somit eine Nahrungsgrundlage. Und die sich im Totholz entwickelnden oder lebenden Insekten sind wiederum Nahrungsgrundlage für diverse Tiere wie Vögel. Und für viele Insekten und Tiere ist das Totholz auch gern gefundener Schutz vor anderen Fressfeinden und sie sich fressen oder graben sich tief in das tote und sich langsam zersetzende Holz hinein. Dann kann Totholz auch ein Lebensraum sein, wenn Tiere ihre Bauten und Nester darin anlegen.
Jeder Totholztyp ist mit seiner eigenen Flora und Fauna assoziiert. Es entstehen Lebensgemeinschaften in der Rinde, im Holz, in Baumhöhlen und in Sonderstrukturen wie Saftflüssen, Ameisennestern oder Brandstellen. Und es sind viele Pilzarten und Käferarten an der vollständigen Remineralisierung eines Totholzkörpers beteiligt.
Viele Tiere und Pflanzen sind in ihrer Lebensweise hochgradig auf bestimmte Zerfalls- und Zersetzungsphasen von Holz angewiesen. Dazu zählen die schon erwähnten Pilze, Flechten, Moose und Farne und viele Insekten wie etwa Ameisen, Hautflügler und Schmetterlinge. Ebenso zählt auch der überwiegende Teil der Wespen- und Bienenarten dazu.
Für größere Tiere bietet Totholz die Möglichkeit, ihre Bauten und Nester anzulegen. Und ist somit Lebensraum von Vögeln und anderen Wirbeltieren. Baummarder nutzen solche Höhlen. Diese dienen wiederum einer Reihe von Fledermausarten als Sommer- und Winterquartier. Und auch verschiedene Amphibien und Reptilien suchen liegendes Totholz als Tagesversteck oder zum Überwintern auf.
Totholz wird darüber hinaus über Jahre hinweg von Bakterien, Käfern und Pilzen zersetzt. Der entstehende Humus wird zum Nährboden für Pflanzen. Auch junge Bäume wachsen wiederum auf dem entstandenen Humus.
Somit ist dieses Totholz, das für uns Menschen auf den ersten Blick zunächst keine Daseinsberechtigung und somit Zweck hat, für viele Lebewesen eine essentielle Lebensgrundlage. Und aus diesem Grund lässt die Forstwirtschaft immer einen Teil des Totholzes im Wald liegen und über Jahre hin verrotten. Denn das Ökosystem Wald benötigt dieses Totholz dringend. Stehendes und liegendes Totholz dient somit als Grundlage für vielfältiges neues Leben.